Durch die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind abgewendet sowie
Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden. Vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge ist die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.

 

Untersuchungen und Beratungen sowie sonstige Maßnahmen während der Schwangerschaft

Jeder Schwangeren soll ein HIV-Antikörpertest empfohlen

werden, da die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung auf das Kind durchwirksame therapeutische Maßnahmen erheblich gesenkt werden kann Schwangeren. Zudem soll die

Schwangere über die Impfung gegen saisonale Influenza

beraten werden. Gesunden Schwangeren soll diese Impfung

ab dem zweiten Trimester empfohlen werden. In die ärztliche Beratung sind auch ernährungsmedizinische Empfehlungen als Maßnahme der Gesundheitsförderung einzubeziehen. Dabei ist insbesondere auf eine ausreichende Jodzufuhr

(in der Regel ist eine zusätzliche Zufuhr von 100 bis 200 μg Jodid pro Tag notwendig) hinzuweisen.

 

Die Erstuntersuchung mit Feststellung der Schwangerschaft sollte so bald wie möglich nach Ausbleiben der Regelblutung und positivem Schwangerschaftstest stattfinden. Dabei werden erfasst

 

 

  • die Familiengeschichte (Anamnese)
  • die Eigenanamnese
  • die Schwangerschaftsanamnese
  • die Arbeits- und Sozialanamnese
  • die gynäkologische Untersuchung (einschließlich einer Untersuchung auf genitale Chlamydia trachomatis-Infektion )
  • das Körpergewicht der Schwangeren
  • der Blutdruck
  • Urinwerte (Eiweißgehalt, Zucker oder Sediment; ggf. Bakterien)
  • Hämoglobingehalt
  • evtl. Anzahl der Erythrozyten (je nach Hämoglobingehalt)
  • Bestimmung der Blutgruppen und des Rhesusfaktors, Antikörpersuchtest (ggf. Bestimmung der Spezifität und des Titers)

 

Die folgenden Untersuchungen finden bis zur 32. SSW alle 4 Wochen statt. Danach wird der Rhythmus auf einen 2-wöchigen Abstand verkürzt. Insgesamt ergeben sich dadurch 10 bis 12 Termine. Es werden dabei jeweils folgende Untersuchungen durchgeführt:

 

  • Gewichtsmessung
  • Blutdruckmessung
  • Untersuchung des Urins auf Eiweiß- und Zuckergehalt, Sediment und ggf. Bakterien
  • Bestimmung des Hämoglobingehaltes, Bestimmung der Erythrozyten, wenn der Hämoglobingehalt < 11,2 g/ml ist.
  • Feststellung des Höhenstandes der Gebärmutter
  • Kontrolle der Herztöne des Kindes
  • Feststellung der Lage des Kindes

 

Suchtest auf Antikörper gegen rhesuspositive Zellen

In der 24. bis 27. Schwangerschaftswoche wird ein erneuter Antikörpersuchtest durchgeführt. Werden bei rhesusnegativen Schwangeren keine Antikörper festgestellt, erhalten diese eine Standarddosis Anti-D-Immunglobulin, um das Kind sicher vor einem Immunangriff durch das mütterliche Blut zu schützen (Dokumentation im Mutterpass).

 

Ergeben sich im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge Anhaltspunkte für ein genetisch bedingtes Risiko, so ist der Arzt gehalten, die Schwangere über die Möglichkeiten einer humangenetischen Beratung und/oder humangenetischen Untersuchung aufzuklären.

 

Im Verlauf der Schwangerschaft soll ein Ultraschallscreening  angeboten werden. Die Untersuchungen erfolgen in den Schwangerschaftswochen (SSW):

  •   8 + 0 bis 11 + 6 SSW (1. Screening)
  • 18 + 0 bis 21 + 6 SSW (2. Screening)
  • 28 + 0 bis 31 + 6 SSW (3. Screening)

 

Dieses Ultraschallscreening dient der Überwachung einer normal vier laufenden Schwangerschaft insbesondere mit

dem Ziel

  • der genauen Bestimmung des Schwangerschaftsalters,
  • der Kontrolle der somatischen Entwicklung des Feten,
  • der Suche nach auffälligen fetalen Merkmalen sowie
  • dem frühzeitigen Erkennen von Mehrlingsschwangerschaften

 

Durchführung der Ultraschall-
untersuchungen im zweiten Trimester :

  1. Sonografie mit Biometrie ohne systematische Untersuchung der fetalen Morphologie

  2. Sonografie mit Biometrie und systematische Untersuchung der fetalen Morphologie durch einen besonders qualifizierten Untersucher.

 

Die Anwendung dopplersonographischer  Untersuchungen zur weiterführenden Diagnostik ist ebenfalls Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge.

 

 

Screening auf Schwangerschaftsdiabetes für alle Schwangere

Das Screening auf Gestationsdiabetes (GDM) mit einem Blutzucker-gestützten Verfahren ist jetzt verbindlich in die Mutterschaftsrichtlinien als Kassenleistung aufgenommen worden. GDM ist eine der häufigsten Schwangerschafts- komplikationen in Deutschland. Als bisheriger Höchststand wurde 2010 die Erkrankung bei knapp 24000 Frauen (3,7 Prozent aller Schwangeren) diagnostiziert.

 

Mit dem bisher angebotenen Urinzucker-Screening wurden aber viele Betroffene nicht erkannt. Der Beschluss des GBA für ein Blutzucker-gestütztes Verfahren ist nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger seit dem 3. März 2012 in Kraft getreten.

 

Zur Früherkennung können jetzt alle Schwangeren zwischen der 24. und der 28. SSW ein Suchtest auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bekommen.

 

So läuft der Suchtest:

Zunächst wird eine Glukoselösung (mit 50g Glukose) getrunken; die Schwangere muss nicht nüchtern sein. Eine Stunde nach Einnahme wird der Blutzuckerwert bestimmt.

Bei Blutzuckerwerten ab 135 mg/dl und bis 200 mg/dl sollte dann zeitnah ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) vorgenommen werden, und zwar nach Einhaltung von mindestens acht Stunden Nahrungskarenz.

 

Der Blutzucker muss dabei im Venenblut mit einem qualitätsgesicherten Verfahren bestimmt werden. Handmessgeräte sind ausgeschlossen. Gemessen werden der Nüchternwert sowie der Ein- und Zweistundenwert nach Glukosebelastung.

 

Die Grenzwerte liegen bei 92, 180 und 153 mg/dl. Wird nur ein Grenzwert erreicht, liegt ein Schwangerschaftsdiabetes vor und eine Therapie ist indiziert. Sie erfolgt nach Blutzuckertagesprofil mit Zielwerten unter 90 mg/dl nüchtern und unter 120 mg/dl zwei Stunden nach dem Essen.

In die Entscheidung über eine nachfolgende Behandlung sind Möglichkeiten zur Risikosenkung durch vermehrte körperliche Betätigung und einer Anpassung der Ernährung einzubeziehen. Reichen Lebensstiländerungen nicht aus, muss mit Insulin behandelt werden. Orale Antidiabetika sind für Schwangere nicht zugelassen. Merkblatt für Patientinnen: „Ich bin schwanger. Warum wird allen Schwangeren ein Test auf Schwangerschaftsdiabetes angeboten?".

 

 

Erkennung und besondere Überwachung der Risikoschwangerschaften und Risikogeburten

Risikoschwangerschaften sind Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist:

 

I. Nach Anamnese

  • Schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter (z. B. an Niere und Leber oder erhebliche Adipositas)
  • Zustand nach Sterilitätsbehandlung, wiederholten Aborten oder Frühgeburten
  • Totgeborenes oder geschädigtes Kind
  • Vorausgegangene Entbindungen von Kindern über 4.000 g Gewicht, minderwüchsigen Kindern (small for date babies), Mehrlingen
  • Zustand nach Uterusoperationen (z. B. Kaiserschnitt, Myom, Fehlbildung)
  • Komplikationen bei vorangegangenen Entbindungen
    (z. B. Fehllage d. Mutterkuchens, vorzeitige Lösung der Plazenta, Rißverletzungen, Atonie oder sonstige Nachgeburtsblutungen, Gerinnungsstörungen, Krämpfe, Thromboembolie)
  • Erstgebärende unter 18 Jahren oder über 35 Jahre
  • Mehrgebärende über 40 Jahre, Vielgebärende mit mehr als vier Kindern (Gefahren: Genetische Defekte, sog. Plazentainsuffizienz, geburtsmechanische Komplikationen).

 
II. Nach Befund (jetzige Schwangerschaft)

  • EPH-Gestose (d. h. Blutdruck 140/90 oder mehr, Eiweißaus-scheidung 1 0/00 bzw. 1 g/24 Std. oder mehr, Ödeme oder Gewichtszunahme von mehr als 500 g je Woche im letzten Trimester); Nierenbeckenentzündung (Keimzahlen über 100.000 im Mittel-strahlurin)
  • Anämie unter 10 g/100 ml (g %)
  • Diabetes mellitus
  • Uterine Blutung
  • Blutgruppen-Inkompatibilität (Früherkennung und Prophylaxe des Morbus haemolyticus fetalis bzw. neonatorum)
  • Diskrepanz zwischen Uterus- bzw. Kindsgröße und Schwangerschaftsdauer (z. B. fraglicher Geburtstermin, retardiertes Wachstum, Riesenkind, Zwillinge, Molenbildung, Hydramnion, Myom)
  • Drohende Frühgeburt (vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz)
  • Mehrlinge; pathologische Kindslagen
  • Überschreitung des Geburtstermins bzw. Unklarheit über den Termin.

 

Aus Risikoschwangerschaften können sich Risikogeburten entwickeln. Bei folgenden Befunden ist mit einem erhöhten Risiko unter der Geburt zu rechnen:

  • Frühgeburt
  • Plazenta praevia, vorzeitige Plazentalösung
  • Jede Art von Mißverhältnis Kind/Geburtswege. 

Bei Risikoschwangerschaften können neben den üblichen Untersuchungen noch folgende in Frage kommen:

  • Ultraschall-Untersuchungen (Sonographie)
  • Tokographische Untersuchungen vor der 28. Schwangerschaftswoche bei Verdacht auf vorzeitige Wehentätigkeit oder bei medikamentöser Wehenhemmung
  • Kardiotokographische Untersuchungen (CTG)
  • Amnioskopien (Fruchtwasserspiegelung)
  • Fruchtwasseruntersuchungen nach Gewinnung des Fruchtwassers durch Amniozentese (Fruchtwasserpunktion)
  • Transzervikale Gewinnung von Chorionzottengewebe oder transabdominale Gewinnung von Plazentagewebe
  •  

 

Serologische Untersuchungen und Maßnahmen während der Schwangerschaft

1. Bei jeder Schwangeren sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt aus einer Blutprobe

  • ein Lues-Test,
  • gegebenenfalls ein HIV-Test,
  • die Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-Faktors D,
  • ein Antikörper-Suchtest (AK)  durchgeführt werden.

 

Ein Test auf Rötelnantikörper ist bei Schwangeren ohne Rötelnimmunität erforderlich. Immunität und damit Schutz vor Röteln-Embryopathie für die bestehende Schwangerschaft ist anzunehmen, wenn der Nachweis über zwei erfolgte Rötelnimpfungen vorliegt oder wenn spezifische Antikörper rechtzeitig vor Eintritt dieser Schwangerschaft nachgewiesen worden sind und dieser Befund ordnungsgemäß dokumentiert worden ist.

 

Wird Immunität erstmals während der laufenden Schwangerschaft serologisch festgestellt, kann Schutz vor Röteln-Embryopathie nur dann angenommen werden, wenn sich aus der gezielt erhobenen Anamnese keine für die Schwangerschaft relevanten Anhaltspunkte für Röteln-Kontakt oder eine frische Röteln-Infektion ergeben.

 

Ein Test auf Rötelnantikörper ist bei Schwangeren ohne Rötelnimmunität erforderlich.

Immunität und damit Schutz vor Röteln-Embryopathie für die bestehende Schwangerschaft ist anzunehmen, wenn der Nachweis über zwei erfolgte Rötelnimpfungen vorliegt oder wenn spezifische Antikörper rechtzeitig vor Eintritt dieser Schwangerschaft nachgewiesen worden sind

Bei diesen Schwangeren in der 16. -17. Schwangerschaftswoche eine erneute Antikörper-Untersuchung durchzuführen.

Ein weiterer Antikörper-Suchtest ist bei allen Schwangeren (Rh-positiven und Rh-negativen) in der 24.- 27. Schwangerschaftswoche durchzuführen.

 

Sind bei Rh-negativen Schwangeren keine Anti-D-Antikörper nachweisbar, so soll in der 28.-30. Schwangerschaftswoche eine Standarddosis (um 300 μg) Anti-D-Immunglobulin injiziert werden, um möglichst bis zur Geburt eine Sensibilisierung der Schwangeren zu verhindern. Bei allen Schwangeren ist nach der 32. Schwangerschaftswoche, möglichst nahe am Geburtstermin, das Blut auf HBsAg = Hepatitis B-Antigen  zu untersuchen. Ist das Ergebnis positiv, soll das Neugeborene unmittelbar post partum gegen Hepatitis B aktiv/passiv immunisiert werden.

 

 

Blutgruppenserologische Untersuchungen nach Geburt oder Fehlgeburt und Anti-D-Immunglobulin-Prophylaxe

Bei jedem Kind  ist unmittelbar nach der Geburt der Rh-Faktor D zu bestimmen und -je nach Ergebnis- therapeutische Maßnahmen einzuleiten:

bei Rh-positivem Kind ist bei der Rh-negativen Mutter eine weitere Standarddosis Anti-D-Immunglobulin (um 300 μg) innerhalb von 72 Stunden nach der Geburt zu applizieren.

 

Rh-negative Frauen mit Fehlgeburt bzw. Schwangerschaftsabbruch sollte so bald wie möglich, jedoch innerhalb 72 Stunden nach Fehlgeburt bzw. nach Schwangerschaftsabbruch  Anti-D-Immunglobulin injiziert werden.

 

 

Untersuchungen und Beratungen der Wöchnerin

Eine Untersuchung soll innerhalb der ersten Woche nach der Entbindung vorgenommen werden. Dabei soll das Hämoglobin bestimmt werden.

Eine weitere Untersuchung soll etwa sechs Wochen, spätestens jedoch acht Wochen nach der Entbindung durchgeführt werden. Die Untersuchung umfasst :

  • Allgemeinuntersuchung (falls erforderlich einschließlich Hämoglobinbestimmung)
  • Feststellung des gynäkologischen Befundes
  • Blutdruckmessung
  • Untersuchung des Mittelstrahlurins auf Eiweiß, Zucker und Sediment, gegebenenfalls bakteriologische Untersuchungen (zum Beispiel bei auffälliger Anamnese, Blutdruckerhöhung, Sedimentbefund) sowie Beratung der Mutter

 

Aufzeichnungen und Bescheinigungen

Nach Feststellung der Schwangerschaft stellt der Arzt der Schwangeren einen Mutterpaß  aus. Nach diesem Mutterpaß richten sich auch die vom Arzt  vorzunehmenden Eintragungen der Ergebnisse der Untersuchungen im Rahmen der ärztlichen Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung.

Quelle: MURL 2013

PDF Link: Schwangerschaftsdiabetes.pdf

PDF Link: HIV-Test.pdf

PDF-Link: Basis-Ulraschall.pdf